Die zu Beginn der Erschließung des weltweiten Datennetzes geäußerte Hoffnung, das Internet könne rechtsfrei den Selbstreinigungskräften der Teilnehmer überlassen werden, ist nicht in Erfüllung gegangen. Wer gegen das Betäubungsmittelsgesetz verstoßen, das Ansehen der Bundesrepublik beschädigen, Geld waschen sowie betrügen, erpressen oder beleidigen möchte, dem bietet das Internet Raum und Gelegenheit.

Während bei zahlreichen Delikten des Strafgesetzbuches (StGB) das Internet oft nur im Vorbereitungsstadium zum Einsatz kommt, können andere Delikte typischerweise (nur) über das Internet begangen werden: Datenschutzverletzungen und Computersabotage mittels Viren, Trojanern & Co., die Verbreitung extremistischer Inhalte sowie millionenfach begangene Urheberrechtsverletzungen durch Software-Piraterie und Downloadbörsen.

Die Suche nach den strafrechtlich Verantwortlichen gestaltet sich umso schwieriger, als die weltweit verbundene Datenautobahn nicht an nationalen Grenzen halt macht. Sitzt der Autor/Urheber des strafbaren Inhalts, was nicht selten der Fall ist, im Ausland, konzentrieren sich die Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach dem „Verantwortlichen“ verstärkt auf den Diensteanbieter, der regelmäßig leichter greifbar sein wird.

Der Diensteanbieter

Diensteanbieter ist „jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Dienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt“. Das können neben dem Telekommunikations- und Internetunternehmen auch Universitäten, Schulen, Arbeitgeber, Internetcafes sowie Betreiber von Online-Foren sein. Allerdings nur, wenn sie die Regelungen des Teledienstgesetzes (TDG) sowie des Mediendienstestaatsvertrags (MDStV) nicht privilegieren. Diese sollen vorab die Dienstanbieter von Rechtsrisiken befreien, die ihnen aus dem Zivil-, Straf und öffentlichen Recht „drohen“.

Wie dieser „Filter“ in den klassischen strafrechtlichen Verbrechensaufbau integriert werden kann, wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Es erscheint jedoch zweckmäßig, die §§ 8 – 11 TDG, 6 – 9 MDStV im Rahmen der objektiven Verantwortlichkeit für die Gefahrenquellen zu berücksichtigen.

Verantwortlichkeitsregeln

Die Gesetze regeln den Verkehr von Informationen, d.h. Inhalte, die im Rahmen des jeweiligen Dienstes gespeichert oder übermittelt werden und unterscheiden zwischen eigenen Informationen (§§ 8 TDG, 6 MDStV), deren Durchleitung (§§ 9 TDG, 7 MDStV), der Zwischenspeicherung zur beschleunigten Übermittlung (§§ 10 TDG, 8 MDStV) sowie der Speicherung (§§ 11 TDG, 9 MDStV).

Uneingeschränkt nach allgemeinen Gesetzen haftet der Diensteanbieter für eigene Informationen, § 8 Abs. 1 TDG. Dies sind Inhalte, die der Diensteanbieter sich zu eigen gemacht hat und auf einem Rechner speichert, auf den Dritte auch tatsächlich Zugriff haben. Diesen Vorwurf muss sich unter Umständen auch gefallen lassen, wer sich mittels eines sog. Disclaimers von rechtswidrigen Inhalten distanzieren möchte (Landgericht Köln, Urteil v. 05.10.2001, Az.: 28 O 346/01).

Für fremde Informationen ist der Diensteanbieter im übrigen nicht verantwortlich, wenn er sie nur weiterleitet oder den Zugang zu Ihnen vermittelt (Anbieter einer Suchmaschine, Access-Provider) und sofern er die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten nicht ausgewählt sowie Informationen nicht selektiert oder verändert hat, §§ 9 TDG, 7 MDStV.

Die Zwischenspeicherung fremder Informationen (Caching) ist unbedenklich, wenn diese nicht verändert und Technologiestandards beachtet werden, §§ 10 TDG, 8 MDStV. Eine Sperrungsverpflichtung trifft den Diensteanbieter, sobald er Kenntnis von der Entfernung oder Sperrung eines rechtswidrigen Inhalts durch Dritte hat.

Für die Speicherung fremder Informationen (Hosting, z.B. fremder Beitrag in einem Meinungsforum) ist nicht verantwortlich, wer keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hat, §§ 11 TDG, 9 MDStV und nach Kenntniserlangung unverzüglich die Informationen entfernt oder den Zugang zu diesen sperrt.

Haftet ein Anbieter, so können die jeweiligen straf- oder haftungsrechtlichen Normen angewendet werden. Allerdings sind Diensteanbieter im Sinne der §§ 9 bis 11 TDG nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Geset-zen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters unberührt.

In Zukunft: Telemediengesetz

Die Frage, welches der beiden Gesetze nun tatsächlich Anwendung findet, ist schwierig zu beantworten, aufgrund des identischen Wortlauts der §§ 8 – 11 TDG bzw. 6 – 9 MDStV in der Praxis aber wenig relevant gewesen. Und dürfte bald auch der Vergangenheit angehören: Unter dem Begriff der Telemedien sollen Tele- und Mediendienste in einem Telemediengesetz zusammengefasst werden. Die Verantwortlichkeitsregeln werden demnach in Kürze wohl neue Paragraphenziffern bekommen, inhaltlich wird sich aller Voraussicht nach aber nichts ändern.

Thomas Hellwege, Journalist

blog.medienrecht-informationen.de

Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form Anfang des kommenden Monats im Journal der Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Landeskriminalamt NRW, erscheinen.

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